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Rabenvögel

Was wir tun

Rabenvögel im Blickpunkt öffentlichen Interesses

Es gibt in Europa keine andere Vogelfamilie, die einen solch schlechten Ruf besitzt wie die Rabenvögel. Elster, Rabenkrähe und Eichelhäher stacheln Naturschützer, Gartenbesitzer, Landwirte und Jäger zu hitzigen Diskussionen an und auch bei uns gehen zahlreiche Anfragen aus der Bevölkerung zur sogenannten Rabenvogel-Problematik ein. Hiermit versuchen wir, unter Einbeziehung aktueller Forschungsergebnisse die brennendsten Fragen zu beantworten.

Droht uns eine Elster-Plage?

Es wird oft behauptet, Rabenvögel - vor allem Elstern - hätten in letzter Zeit zugenommen, ja, sie seien schon zu einer richtigen Plage geworden. "Ich sehe immer mehr Elstern in meinem Garten!" ist eine häufige Aussage von verärgerten Anrufern gegenüber LBV-Mitarbeitern. Auch für Autofahrer sind Elstern und Krähen "sichtbarer" geworden, weil beide Arten als Aasvertilger an Verkehrswegen eine hohe Dichte aufweisen. Dennoch ergeben sich aber aufgrund zahlreicher Befunde und wissenschaftlicher Arbeiten keine Anhaltspunkte für eine generelle, weiträumige Zunahme der Elster im speziellen und der Rabenvögel im allgemeinen. Nur regionale Zu- aber auch Abnahmen der Bestände von Rabenkrähe und Elster sind bekannt. So nahm die Elster etwa im Bodenseegebiet Anfang der 1990er Jahre im Vergleich zu den mittleren 80er Jahren um über 40% zu. Diese Bestandsveränderungen bewegen sich allerdings im natürlichen Schwankungsbereich von Vogelpopulationen. Die Gesamtpopulation in Mitteleuropa ist seit vielen Jahren bei allen drei Arten konstant.

Die Elster im Siedlungsbereich

Das gehäufte Auftreten der Elster im Siedlungsbereich des Menschen könnte auf eine allgemeine Bestandszunahme dieser Art schließen lassen. Diese Annahme ist jedoch nicht richtig, vielmehr hat sich bei der Elster vielerorts eine Lebensraumverschiebung vollzogen: Gab es früher in der freien Feldflur mehr Elstern als im Orts-/Stadtbereich, so hat sich das Verhältnis heute eher umgekehrt. Die Elster als sehr anpassungsfähige Tierart nutzt die besseren Bedingungen, wie den besseren Schutz vor natürlichen Feinden, wie z.B. Habicht oder Sperber, sowie die günstigeren Nahrungsbedingungen (Abfälle, Unrat, Deponien...) in der Nähe des Menschen rasch aus. Eine allgemeine Zunahme ist jedoch nicht zu verzeichnen.

Entscheidend für die Selbstbegrenzung der Populationsdichte ist das territoriale Verhalten, also die intensive Verteidigung des Brutreviers gegenüber Artgenossen. Es verhindert eine zu große Brutdichte. Eine geringe Dichte erlaubt genügend optimale Reviere; bei steigender Dichte müssen Reviere mit weniger gutem Nahrungsangebot, höherem Feinddruck usw. besetzt werden. Damit sinkt aber der Bruterfolg, und die Populationsdichte kann nicht weiter ansteigen. 
Ein weiterer Punkt, der oft zu einer Überschätzung der Elsternbestände führt, ist die Tatsache, dass man jedem Elsternnest ein Elsternbrutpaar zuordnet. Dies ist nicht richtig, da Elstern fast immer mehrere Nester bauen, aber nur eines fertig stellen und zur Brut nutzen.

Bei der Rabenkrähe kommt es zudem oft zu Nesträubereien durch Artgenossen, nämlich nicht-brütende, sogenannte Schwarmvögel, meist Tiere im 1. bis 4. Lebensjahr, die noch kein eigenes Revier besetzen konnten. Zusätzlich trägt auch die zwischenartliche Konkurrenz von Rabenkrähe, Elster und Eichelhäher wesentlich dazu bei, die Populationen auf einem bestimmten Niveau zu halten.

Ja: Rabenvögel fressen Kleinvögel. Aber...

Besonders die Tatsache, dass Rabenvögel, vor allem Elster und Eichelhäher, Nester von Kleinvögeln plündern und deren Jungvögel fressen, macht sie in weiten Kreisen der Bevölkerung so unbeliebt. Allerdings gerät dabei oft in Vergessenheit, dass Elster, Eichelhäher und Rabenkrähe Allesfresser sind. Ihre Hauptnahrung besteht aus Früchten, Beeren, Samen, sowie Insekten und anderen wirbellosen Tieren. Der Anteil von Eiern und Jungvögeln beträgt maximal 7%. Dieser geringe Prozentsatz, sowie die wenig beachtete Tatsache, dass es neben den Rabenvögeln auch noch andere Beutegreifer gibt, die sehr häufig junge Vögel verzehren - Hauskatze, Marder, Eichhörnchen, Igel oder Spechte -, die aber wegen ihrer heimlichen Lebensweise viel weniger auffallen als die laut "krächzende" Elster, sprechen für die Rabenvögel. Bei verschiedenen Untersuchungen in der freien Landschaft zeigte sich, dass auch in Gebieten mit großen Rabenvogelbeständen die übrige Vogelwelt je nach Lebensraumangebot in beachtlicher Siedlungsdichte vertreten ist, wobei auch seltene Arten vorkommen. Von den Nesträubereien im Siedlungsbereich sind naturgemäß die häufigsten Singvogelarten (z.B. Amsel, Grünling, Meisen) betroffen. Die Amsel, das häufigste Opfer der Elster, hat hier eine fünf- bis zehnfach höhere Siedlungsdichte als in Waldgebieten. Verluste an Gelegen und Jungvögeln werden durch die hohe Nachkommenzahl und eventuelle Nachgelege leicht ausgeglichen.

Alle einschlägigen Daten und Untersuchungen zeigen, dass das Plündern von Singvogelnestern durch Rabenvögel mit Sicherheit nicht zu einem wesentlichen Bestandsrückgang bzw. zu einer ernsthaften Bedrohung oder sogar zum Aussterben einer Vogelart geführt hat und auch nicht führen wird. So wurde für ein ca. 24 km² großes Untersuchungsgebiet im Stadtbereich Osnabrücks während knapp zehn Jahren eine Zunahme des Elsternbestandes um 280% (von 60 auf 228 Nester) festgestellt. Trotz dieser massiven Zunahme trat keine Abnahme im Gesamtbestand der erfassten Stadtsiedler ein. Im Gegenteil, die Anzahl der brütenden Arten stieg sogar. Die Brutbestände von Rotkehlchen, Zaunkönig, Gimpel, Amsel, Ringeltaube und Kleiber nahmen deutlich zu, die von Buchfink und Grünling dagegen signifikant ab. Die Bestandsabnahmen dieser beiden Arten könnten möglicherweise auf Elstern zurückzuführen sein. Beide Arten gehören zu unseren häufigsten Brutvogelarten; der größte Teil der Buchfinken lebt zudem in Wäldern. Wäre der Plündereffekt tatsächlich so gravierend, müssten hier also längst alle Singvögel ausgerottet, bzw. extrem stark dezimiert worden sein.

Kurzgefasst kann man sagen, dass Rabenvögel verschiedene Kleinvogelarten oder auch Niederwild niemals in solchem Maße dezimieren, dass sie in ihrem Bestand gefährdet werden oder gar aussterben. Artensterben wird nur durch den Menschen verursacht. Die Rückgangsursachen für die europäischen Vogelpopulationen sind in erster Linie in der Lebensraumzerstörung und im Gifteinsatz zu suchen. Hinzu kommen noch Verluste auf dem Zug und im Winterquartier. Das Fressen einer jungen Kohlmeise durch eine Elster kann nicht anders gesehen werden als der Verzehr eines Schmetterlings durch ein Rotkehlchen. Der Mensch hat kein Recht, hier eine moralische Gewichtung vorzunehmen!

Ihre Ansprechpartnerin

Dr. Sophia Engel

Email: sophia.engel@lbv.deTelefon: 089 200270-75

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