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Ganzjahresfütterung

Was wir tun

Ganzjahresfütterung

Viele Menschen füttern im Winter die Vögel, wenn eine Schneedecke die Futtersuche erschwert. Wie aber sollte man sich später im Jahr verhalten, wenn die Vögel doch eigentlich in der Natur genug Nahrung finden können? Ist das Ausbringen von ganzjährig zur Verfügung stehenden Futter- und Wasserquellen sinnvoll, oder richtet man letztlich eher Schaden an, weil man dadurch in das biologische Gleichgewicht eingreift? Bei der Klärung dieser Fragen sind sich selbst erfahrene Ornithologen nicht einig, und so möchten wir diesen Artikel als Diskussionsbeitrag verstanden wissen, der Ihnen Argumente für, aber auch gegen die Ganzjahresfütterung an die Hand gibt.

Pro Ganzjahresfütterung

Der Mensch greift sowieso massiv ins natürliche Geschehen seiner Umwelt ein. Durch Straßen- und Siedlungsbau, aber auch durch Monokulturen und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft wird das natürliche Futterangebot für Wildvögel enorm reduziert. Wildwuchs und „Unkräuter“ gehen zugunsten von Beton- und Ackerflächen verloren, Insekten und Kleintiere finden keine geeigneten Lebensbedingungen mehr vor und stehen somit nicht mehr als Nahrungsquelle zur Verfügung. Auch in unseren Gärten ersetzen häufig Zierpflanzen und Exoten die oftmals als Unkraut verschmähten heimischen Pflanzen, die wichtige Nahrungsquellen für Vögel darstellen, Blattläusen und Raupen wird mit der Chemiekeule zu Leibe gerückt. Die Futterstelle im Garten ersetzt nach dieser Argumentation in gewissem Maße die verlorengegangene Vielfalt in der menschgeprägten Umwelt.

Gerade zur Brutzeit sei eine solche Fütterung besonders wichtig, erklären die Befürworter der Ganzjahresfütterung, denn so können die Elterntiere ihren eigenen Futterbedarf schnell und einfach an der Futterstelle decken und die so gesparte Zeit in die Suche nach Insekten zur Jungenfütterung investieren. Die oft geäußerte Befürchtung, die Jungvögel könnten mit für sie ungeeignetem Futter, wie z.B. Erdnussbruch, gefüttert werden und dadurch Schaden nehmen, scheint sich neueren Studien zufolge zumindest unter ansonsten günstigen Bedingungen nicht zu bestätigen. Die Altvögel haben nur dann vom Menschen gereichtes Futter an ihre Nachkommen verfüttert, wenn sie überhaupt keine natürliche Nahrung für ihre Jungen finden konnten. Um in einer solchen Notsituation geeignetes Aufzuchtfutter zur Verfügung zu stellen, kann man mit Insekten angereichertes Futter auslegen.

Contra Ganzjahresfütterung

Die menschliche Zufütterung könne keinesfalls eine ausgewogene, natürliche Nahrung ersetzen, sondern  bestenfalls Nahrungsergänzung sein. Viele Arten beispielsweise, die im Winter gerne das im Vogelhäuschen angebotene Körnerfutter nehmen, ernähren sich im Sommer hauptsächlich von Insekten. Insbesondere Jungvögel können Körner- und Fettfutter zunächst nicht umsetzen, sondern benötigen für eine gesunde Entwicklung Insektennahrung.

Es kann nicht das Ziel sein, Wildvögel vom Wohlwollen und den finanziellen Möglichkeiten einzelner Vogelfreunde abhängig zu machen. Vogelschutz muss vielmehr nachhaltig dafür sorgen, dass es genügend geeigneten Lebensraum gibt, der den Vögeln ein selbständiges Überleben garantiert. Darum setzen wir uns für den Schutz wertvoller Biotope ein, engagieren uns für eine naturverträgliche Siedlungsplanung und fordern auf politischer Ebene ein klares Bekenntnis zur ökologischen Landwirtschaft! Diese Maßnahmen kommen allen, auch den selteneren, Arten zugute, wogegen die Futterstellen im Garten  hauptsächlich von ohnehin häufigen Vogelarten genutzt werden, sodass der Nutzen für unsere bedrohte Vogelwelt überschaubar bleibt.

Ein sehr problematischer Aspekt der Ganzjahresfütterung ist die Verbreitung von Krankheitserregern: Aktuell kommt es beispielsweise jedes Jahr im Sommer zum sogenannten Grünfinkensterben. Grund hierfür sind Einzeller, sogenannte Trichomonaden, welche sich bei hohen Temperaturen an künstlich angelegten Futterplätzen perfekt ausbreiten können. Auch für andere Krankheitserreger wie Salmonellen, Viren und Bakterien sind Futter- und Wasserstellen im Sommer der ideale Ort um sich unter den Vögeln zu verbreiten, so dass ein Ausbruch von Krankheiten oft schnell epidemische Ausmaße annimmt. Penibles und regelmäßiges Reinigen der Futter- und Wasserstellen muss daher für jeden Vogelfreund selbstverständlich sein. 
 

Fazit & Tipps

Wer nachhaltig und unbedenklich die Vogelwelt schützen will, sollte den Erhalt der heimischen Pflanzen- und Insektenwelt fördern. Politischer Einsatz für eine nachhaltige, ökologische Landwirtschaft und die Entscheidung mit dem Einkaufskorb gehen hier Hand in Hand. Und auch im eigenen Garten kann man oft noch einiges zum Positiven verändern: Anstelle von Zierpflanzen und weitläufigen Rasenflächen bietet ein möglichst naturnaher Garten mit heimischen Pflanzen den Vögeln häufig die ideale Nahrungsquelle. Und mal ehrlich, sehen beispielsweise blühende Wiesen nicht schöner aus als eine monotone Rasenfläche?

Wer sich zusätzlich dafür entscheidet, Vögel auch im Sommer zu füttern, sollte dabei unbedingt folgende Punkte beachten:

  • Wasser- und  Futterquellen sind immer potentielle Brutstellen für Krankheitserreger und müssen deshalb unbedingt regelmäßig gereinigt werden. Zur Reinigung bitte nur heißes Wasser und eine Wurzelbürste verwenden, keine Reinigungsmittel oder Desinfektionsmittel, deren Rückstände die Vögel dann bei der nächsten Benutzung der Futter- oder Wasserstelle aufnehmen würden!
    Trichomonaden brauchen Feuchtigkeit. Durch vollständiges Austrocknen der Tränke vor Wiederbefüllung kann man sicherstellen, dass die Erreger nicht ins frische Wasser gelangen. Bewährt hat sich z.B. die Verwendung von zwei Blumentopfuntersetzern, die im Wechsel befüllt werden. Während der eine in Benutzung ist, kann der andere in der Sonne austrocknen.
  • Das Futter sollte vor Regen und Nässe geschützt sein, um die Verbreitung von Krankheitserregern weiter einzuschränken.
  • Sollten Sie kranke Vögel an der Futterstelle beobachten, muss diese abgebaut und gründlich gereinigt werden. Futterreste gehören dann in die Mülltonne. Mit einer erneuten Fütterung sollte erst nach einer Pause von ca. 4 Wochen begonnen werden. Kranke Vögel sind oft aufgeplustert und wenig aktiv. Das ist kein Zeichen von Zutraulichkeit sondern ein Alarmzeichen.
  • Vögel sind häufig „Frühaufsteher“, die Futterquelle sollte deshalb am besten abends aufgefüllt werden.
  • Die Nahrungsreste des Menschen sind als Vogelfutter ungeeignet! Vor allem Lebensmittel die Salz enthalten schaden Vögeln mehr als ihnen zu helfen.
  • Katzen sind ein natürlicher Feind von Vögeln, eine Futterstelle für Vögel lockt häufig auch die pelzigen Mitbewohner an. Die Vögel müssen den Bereich um die Nahrungsquelle daher gut überblicken können, um rechtzeitig die Flucht antreten zu können.

Grünfinkensterben eindämmen!

Seit 2009 konnte das Grünfinkensterben jeden Sommer und manchmal auch winters in weiten Teilen Deutschlands beobachtet werden, allein für den Sommer 2013 schätzt unser Partnerverband NABU die Anzahl der toten Vögel in Deutschland auf 70-80.000. Auslöser der Seuche ist ein Erreger mit dem Namen Trichomonas gallinae. Er befällt vor allem Grünfinken und andere Finken, in selteneren Fällen auch andere Vogelarten. Charakteristische Merkmale für den Befall durch den Einzeller sind apathisches Verhalten,  ein schaumiger, verklebter Schnabel, starkes Aufplustern und fehlendes Fluchtverhalten der Vögel. Die Krankheit ist hochansteckend und kann sich vor allem in Wasser- und Futterstellen auf andere Vögel übertragen (Menschen, Hunde und Katzen sind nicht gefährdet). Durch einen stetigen Andrang der Vögel auf die Nahrungsquellen kommt es hierbei immer wieder zu Epidemien und einem regelrechten Massensterben der Grünfinken. Trichomonaden entwickeln sich besonders gut bei hohen Temperaturen und Feuchtigkeit, die Einzeller vermehren sich deshalb besonders stark bei längeren Hitzeperioden, kommen hin und wieder aber auch im Winter vor. Die Krankheit verläuft für Vögel tödlich, darum ist beim Auftreten erster Symptome unbedingt von weiterer Fütterung und Tränkung von Vögel abzusehen, damit eine weitere Ausbreitung der Seuche verhindert wird. Ist die Krankheit erstmal ausgebrochen ist selbst bei täglicher Reinigung der Futter- und Wasserstellen eine Weitergabe der Krankheitserreger nicht zu verhindern. Das Einstellen der Fütterung und die Entfernung von Wasserstellen sind die einzige Möglichkeit, eine weitere Ausbreitung einzudämmen.

Ihre Ansprechpartnerin

Isabel Rohde

Email: isabel.rohde@lbv.deTelefon: 089 200270-75

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