Tipps zum Umgang mit gefiederten Findlingen
Hände weg von Jungvögeln!
In jedem Frühjahr bricht über Naturschutzverbände, Tierheime und Tierarztpraxen eine Flut vermeintlich eltern- und hilfloser Jungvögel herein, die von mitleidigen Tierfreunden gefunden und mitgenommen wurden. Solch gut gemeintes Bemühen richtet jedoch oft mehr Schaden als Nutzen an:
Die meisten Jungvögel, die auf solche Weise in menschliche Obhut gelangen, sind keineswegs elternlos. Sie haben vielmehr noch vor dem Flüggewerden aktiv das Nest verlassen und betteln aus umliegenden Büschen oder Bäumen ihre Eltern um Futter an. Für den einzelnen Jungvogel steigert dies die Überlebenschance, da ein Nest mit mehreren Jungvögeln leichter Beutegreifern wie Eichhörnchen oder Elster zum Opfer fällt, als der einzelne Jungvogel im Gebüsch. In dieser Phase üben die Jungvögel auch schon die Nahrungssuche und machen die ersten unbeholfenen Flugversuche. Bruchlandungen sind anfangs die Regel, aber Übung macht den Meister!
Die Aufzucht eines flugunfähigen Jungvogels ist dagegen nicht einfach und umso schwieriger, je jünger der Vogel ist. Und je länger der Vogel in menschlicher Obhut bleibt, desto schlechter sind seine Chancen, später in der Natur zu überleben.
Nehmen Sie also einen solchen, vielleicht sogar bettelnden Jungvogel bitte nur in Pflege, wenn sie sicher sind, dass er tatsächlich von seinen Eltern verlassen ist!
Um dies zu klären, sollte man aus sicherer Distanz - um nicht selbst den Altvogel abzuschrecken - wenigstens eine Stunde lang beobachten, ob sich nicht doch eines der Elterntiere um den scheinbar hilflosen Jungvogel kümmert. Oft genügt es schon, einen offen auf dem Boden sitzenden Jungvogel zur Sicherheit auf einen höher gelegenen Ast zu setzen - er ruft sich dann schon seine Eltern herbei. Und selbst bei Dunenjungen, die aus dem Nest gefallen sind, ist es oft möglich, das Nest zu finden und den Vogel zurück zu setzen. Vögel orientieren sich wesentlich weniger am Geruchsinn als Säugetiere. Vogelkinder werden auch nach der Berührung durch den Menschen von den Eltern wieder angenommen.
Nur Jungvögel, die ganz sicher nicht mehr von den Eltern versorgt werden, dürfen aufgenommen und in Pflege genommen werden.
Wenden Sie sich an unser Infotelefon unter 089 200 270 6 und schildern Sie Ihre Beobachtungen oder kontaktieren Sie die Wildtierstation des Tierheims München (089 921 000 76), zur Einschätzung der Situation. Verletzte oder verwaiste Wildtiere können Sie in der Wildtierstation nach telefonischer Rücksprache von Montag bis Sonntag in der Zeit von 8:00-11:30 und 13:00-16:30 Uhr abgeben.
Rechtliche Stolperschwellen
Das Bundesnaturschutzgesetz verbietet, "wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen,... oder ihre Entwicklungsformen... der Natur zu entnehmen“. Diese Bestimmung erfasst die meisten heimischen Vögel. Zulässig ist nur, kranke oder verletzte Tiere - dazu zählen auch wirklich und nicht nur vermeintlich verlassene Jungvögel - aufzunehmen. Diese Tiere müssen allerdings in die Freiheit entlassen werden, sobald sie sich selbstständig erhalten können. Hier decken sich biologisch Sinnvolles und geltendes Recht.
Werden vom Aussterben bedrohte Arten aufgenommen, ist darüber hinaus die Untere Naturschutzbehörde am zuständigen Landratsamt zu informieren. Arten, die dem Jagdrecht unterliegen (etwa Greife, Hühner- oder Wasservögel), dürfen nur mit Einwilligung des Jagdinhabers aufgenommen werden. Diesen nennen Ihnen Polizei oder Landratsamt (Untere Jagdbehörde).
Sollten Sie doch einen Jungvogel in Pflege nehmen müssen, der nachweislich von seinen Eltern verlassen ist, ist primär wichtig, um was für einen Vogel es sich handelt. Der Laie wird ein Dunenjunges kaum bis zur Art bestimmen können. Zumindest aber sollte man den Findling einer der häufigsten Gruppen zuordnen:
Artengruppe | Kennzeichen |
Eulen, Greifvögel | Hakenschnabel, kräftige Fänge, plustern sich bei Annäherung fauchend auf |
Wasservögel (Enten, Schwäne usw.) | Nestflüchter (stehen und laufen, tarnfarbenes oder gelbes Dunenkleid), Füße mit Schwimmhäuten, "Entenschnabel" |
Hühnervögel (Rebhuhn, Fasan) | Nestflüchter (wie Wasservögel), jedoch spitzer Schnabel, keine Schwimmhäute |
Singvögel | Nesthocker, sitzend oder liegend, nach dem Schlupf unbefiedert und blind; Insektenfresser (Meisen, Drosseln) mit dünnem spitzen, Körnerfresser (Finken, Ammern) mit breitem stumpfen Schnabel |
Eulen, Greif- und Singvögel sind Nesthocker. Ihnen genügt als Quartier eine nestgroße Papp- oder Holzkiste, die mit einem Tuch, Heu oder Papier ausgepolstert wird. Unbefiederte Jungvögel benötigen eine Umgebungstemperatur von etwa 35° C. Diese kann man durch eine untergeschobene Wärmflasche oder mit Hilfe einer über das "Nest" gehängten Wärmelampe erzielen. Beginnen die Jungvögel zu hecheln, ist die Temperatur zu hoch. Ist die Befiederung an Bauch und Rücken vollständig, genügt Zimmertemperatur.
Nestflüchter wie Wasser- oder Hühnervögel benötigen mehr Bewegungsfreiheit. Als Einstreu in einer Papp- oder Holzkiste haben sich Sand oder Sägespäne bewährt, die regelmäßig gewechselt werden sollten. Wärmezufuhr ist auch hier nötig. Wasservögel sollten auch die Möglichkeit zum Schwimmen erhalten.
Futter a la carte
Nesthocker werden mit einer stumpfen Pinzette gefüttert. Die artgemäße Futtermischung (siehe Tabelle) wird Ihnen damit tief in den Rachen geschoben. Sperrt der Jungvogel nicht, muss man den Schnabel vorsichtig öffnen. In der Regel sperren auch solche Jungvögel bald angesichts ihres Pflegers.
Arten | Ersatzfutter |
Singvögel: Weichfresser (Stelzen, Drosseln, Grasmücken, Meisen, Stare) | Als Notfallnahrung kann man ungewürztes Rührei (einfach Ei und etwas Wasser verquirlen, in der Pfanne stocken lassen) geben. Möglichst bald auf Heimchen oder selbst gefangene Insekten, Raupen und Ameisenpuppen umstellen. Heimchen kann man in gut sortierten Zoohandlungen kaufen. Ergänzung durch ein Multivitamin-Mineralstoff-Gemisch (Zoohandlungen, Tierarzt); Achtung: Mehlwürmer sind kein geeignetes Aufzuchtfutter! Regenwürmer sind nur für Drosseln geeignet. |
Körnerfresser (Finken, Sperlinge) | Wie Weichfresser; später zunehmend fein geschnittenes Grünzeug, milchreife Grassamen und Sämereien; handelsübliches Aufzuchtfutter (Zoohandlungen) |
Schwalben | Wie Weichfresser; Dronenbrut, Fliegen u.a. kleine Insekten |
Greifvögel, Eulen | Fettarme Fleischstücke mit Haaren oder Federn vermengt, um die Gewöllebildung anzuregen, besser Mäuse oder Eintagsküken |
Hühnervögel | Handelsübliches Aufzuchtfutter, kleine Insekten, Grassamen, Haferflocken, Grünfutter, kleine Steinchen für den Muskelmagen |
Entenvögel | Eingeweichtes Weißbrot, Weizenflocken, hartgekochtes Ei, reichlich Grünzeug, später Fertigfutter |
Junge Singvögel müssen in halb- bzw. (Finken) einstündigem Abstand gefüttert werden. Bei Greifvögeln und Eulen reichen dagegen drei bis vier Fütterungen pro Tag. Alle Jungvögel benötigen Wasser, das bei den Nesthockern mit einer Pipette oder Spritze in den Schnabel geträufelt, bei den Nestflüchtern in einer flachen Schale angeboten wird.
Zurück in die Freiheit
Junge Singvögel können in die Freiheit entlassen werden, sobald sie flugfähig und an selbständige Futteraufnahme gewöhnt sind. Zur Entwöhnung setzt man den Jungvögeln das artgemäße Futter zunächst vor den Schnabel, dann immer weiter weg. Körnerfressern muss man geeignete Futterpflanzen anbieten, Drosseln beispielsweise Würmer, Insektenfressern am besten fliegende Insekten. Diese Umgewöhnung dauert in der Regel einige Tage. Hilfreich ist es, die Vögel von einem Käfig aus freizulassen, in dem noch für einige Tage das gewohnte Futter angeboten wird.
Greifvögel und Eulen sind dagegen wesentlich schwieriger auszuwildern. Sie dürfen sich nicht an den Menschen gewöhnen und müssen an lebender Beute das Schlagen üben. Geeignete Volieren finden sich in der Regel nur in professionellen Pflegestationen. Dort sollte man sich frühzeitig um die Aufnahme bemühen. Adressen sind über Naturschutzverbände und Landratsämter zu erfahren.