Schmetterlinge im Oktober
Anfang Oktober flogen immer noch einige Tagfalter. Vor allem Admirale saugten eifrig am Efeu. Diese unscheinbaren Blüten werden nicht nur tagsüber von vielen Insekten besucht, auch nachts herrscht hier oft reges Leben. Leuchtet man bei Dunkelheit blühenden Efeu mit einer Taschenlampe ab, kann man dort viele Nachtfalter beobachten, z.B. die Rötlichgelbe Herbsteule (Agrochola circellaris) und die Gamma-Eule (Autographa gamma).
Einige Nachtfalterarten lieben auch reifes Obst. Diese Tiere kann man nachts gut mit Rotwein/Zuckerlösung anlocken. Auf den Fotos laben sich Heidelbeer-Wintereule (Conistra vaccinii) und Zackeneule (Scoliopteryx libatrix) am Rotweinköder. Sieht man genau hin, dann kann man den Saugrüssel erkennen.
Andere Nachtfalter haben sich noch radikaler auf die Nahrungsknappheit im Herbst eingestellt: ihr Saugrüssel ist zurückgebildet und die Falter zehren nur von den Reserven, die sie sich als Raupe angefressen haben. Zu diesen Arten gehören Federfühler-Herbstspanner (Colotois pennaria), Kleine Pappelglucke (Poecilocampa populi), Orangegelber Breitflügelspanner (Agriopis aurantiaria) und Großer Frostspanner (Erannis defoliaria).
Weibchen mit verkümmerten Flügeln kann man auch in anderen Jahreszeiten beobachten, gehäuft tritt dieses Phänomen jedoch im Herbst auf. Diese „Sparmaßssnahme“ ist eine weitere Anpassung an die kalte und nahrungsarme Jahreszeit. Die Weibchen der Orangegelben Breitflügelspanner haben verkümmerte Flügel und können nicht fliegen. Die Weibchen der Großen Frostspanner haben sogar überhaupt keine Flügel mehr, dafür lange, kräftige Beine, mit denen sie schnell laufen können. Sie sind reine Fortpflanzungsmaschinen und bestehen fast nur aus Hinterleib, der anfangs prall mit Eiern gefüllt ist. Auf dem Foto sieht man den leeren, flachen Hinterleib nach der Eiablage.
Nicht nur bei Spannern gibt es Weibchen mit verkümmerten Flügeln. Auch bei Diurnea lipsiella kann nur das Männchen fliegen. Dieser Kleinschmetterling gehört zur Familie der Laubholzmotten (Chimabachidae) und hat keinen deutschen Namen. Die Weibchen sitzen gut getarnt an Baumstämmen. Sieht man ein Männchen hektisch hin und her fliegen, dann lohnt es sich zu schauen, ob nicht in der Nähe ein Weibchen lockt.
Im Herbst sind viele Nachtfalter den roten, gelben und braunen Farben des Herbstlaubs angepasst. Aber es gibt auch Ausnahmen wie die Hellgraue Holzeule (Lithophane ornitopus), die Grüne Eicheneule (Dichonia aprilina) und die Weißdorn-Eule (Allophyes oxyacanthae). Eine Untersuchung an nordamerikanischen Wintereulen der Gattungen Lithiphane und Eupsilia ergab, dass die Falter in Ruhestellung in der Kälte nur wenig Energie verbrauchen. Nach einer Nahrungsaufnahme kann ein Falter bei -3°C 193 Tage lang ruhen, bevor seine Reserven aufgebraucht sind. Bei Temperaturen von 0°C dauert dies 24 Tage und bei 10°C nur 11 Tage. Bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt können die Falter fliegen. Vorher müssen sie sich erst „warmzittern“, um die Flugtemperatur von 30-35°C zu erreichen. Dabei wird nicht der ganze Körper aufgewärmt, sondern nur der Thorax (Brust). Das Hinterende erreicht nur Temperaturen von 2°C. Dies ist eine erstaunliche Temperaturdifferenz zwischen zwei Körperteilen, die durch einen Blutkreislauf verbunden sind. Dieses Temperaturgefälle kann nur durch besondere Maßnahmen wie zwei Wärmetauscher im Blutkreislauf aufrechterhalten werden.
Auch einige Raupen sind im Oktober noch unterwegs. Häufig sieht man die haarigen Raupen des Zimtbärs (Phragmatobia fuliginosa) auf der Suche nach einem Winterquartier. Die helle, unterbrochene Linie auf dem Rücken ist ein wichtiges Merkmal dieser Raupen. Sie verpuppen sich im Frühling, und im Sommer fliegen dann die Falter. Leib und Hinterflügel sind wunderschön rot gefärbt, nur leider ist diese Pracht in der Ruhestellung nicht zu sehen, und die Falter sehen dann sehr unscheinbar aus.
Diese Beobachtungen sind natürlich nur eine Auswahl, mehr kann man finden unter www.tagschmetterlinge.de/html -> tagebuch
Information zur Flugtemperatur von Wintereulen aus G. Ebert, „Schmetterlinge Baden Württembergs“, Band 6, G.Ebert, S. 458
Annette von Scholley-Pfab
Fotos: Mitglieder des AK Schmetterlinge