Schmetterlinge im November
Anfang November wurden noch Admirale in München-Westkreuz beobachtet. – Der Kleine Eisvogel (Limenitis camilla) fliegt in dieser Jahreszeit allerdings schon lange nicht mehr. Aber bei Herbst- und Winterspaziergängen kann man auf Roten Heckenkirschen die Raupe in ihrem Überwinterungsgehäuse (Hibernaculum) suchen - und mit etwas Geduld und Glück auch finden. Das Foto zeigt ein typisches Biotop: ein ungeteerter Waldweg, an dessen Rändern Rote Heckenkirschen wachsen, die Nahrungspflanze der Raupe. Die Raupe des Kleinen Eisvogels fertigt ihr Überwinterungsgehäuse aus einem Blatt, das vorher fest an den Zweig angesponnen wird, damit es den ganzen Winter nicht abfällt. Oft besteht das Hibernaculum nur aus einem Blattrest, und ein Teil der Raupe ragt heraus, wie auch auf diesem Foto.
Im Frühling kriecht die Raupe aus ihrem Gehäuse und frisst weiter. Sie häutet sich und verändert dabei ihr Aussehen komplett: aus der unscheinbaren braunen Raupe wird ein grünes Ungetüm mit roten Stacheln.
Im Juni verpuppt sie sich. Die Puppe ist ein wahres Meisterwerk von bizarrer Form und mit Silberflecken verziert. Der Falter fliegt im Juni und Juli und legt auf der Blattoberseite der Roten Heckenkirsche seine Eier ab, aus denen schon bald die braunen Räuplein schlüpfen.
Die Jungraupen fressen das Blatt von der Spitze her und lassen die sauber abgenagte Mittelrippe stehen. Auf dieser Blattrippe ruht sich die Raupe in den Fraßpausen aus. Und so ist sie im August/September relativ leicht zu entdecken.
Das Biotopfoto entstand auf dem Weg vom S-Bahnhof Kreuzstraße hinab zur Mangfall. Aber auch entlang der Isar ist der Kleine Eisvogel noch häufig. Auf Radtouren im Spätsommer fand ich zwischen Großhesseloher Brücke und Bad Tölz alle paar Kilometer eine Raupe auf ihrer Blattrippe. Auch nördlich von München kann der Falter entlang der Isar beobachtet werden, ebenso in der Moosschwaige und in der Aubinger Lohe. In den Münchner Parks und den Anlagen entlang der Isar gelang dagegen trotz stundenlangem Suchen kein einziger Nachweis. Rote Heckenkirschen wachsen zwar viele, auch Nahrung für die Falter, die nur selten Blüten besuchen und gerne Blattlaus-Ausscheidungen zu sich nehmen, ist genügend vorhanden. Aber dies reicht nicht: Der gesamte Lebensraum muss stimmen. Deshalb sind Schmetterlinge durch die Vernichtung ihrer natürlichen Lebensräume auch so gefährdet.
Ein Falter verdient besondere Beachtung: Der Münchner Graffiti-Künstler Loomit hatte den Auftrag, die Unterführung Menzinger- / Maria-Ward-Straße zu verschönern, und sprühte einen riesigen Kleinen Eisvogel.
Die ersten Kleinen Frostspanner (Operophtera brumata) waren schon im Oktober zu beobachten. Richtig zahlreich flogen sie dann im November. Leuchtet man bei einem Abendspaziergang mit einer Taschenlampe die Bäume ab, kann man zahlreiche Männchen sehen, fast alle mit dem Kopf nach oben. Entdeckt man ein Männchen, das verkehrt herum sitzt, d.h. mit dem Kopf nach unten, dann lohnt es sich genau hinzuschauen. Diese Haltung ist typisch für die Paarung: Am Hinterende des Männchens findet sich das Weibchen, das mit seinen verkümmerten Flügeln nicht fliegen kann. So unwahrscheinlich es klingt: Unsere häufigste Schmetterlingsart ist nicht der Kleine Kohlweißling oder der Zitronenfalter, sondern der Kleine Frostspanner. Seine zahlreichen Eier sind eine gute Winternahrung für Vögel, und im Frühling wären die Meisen bei der Aufzucht ihrer Jungen aufgeschmissen, gäbe es nicht so viele Frostspannerraupen.
Auch andere Nachtfalter kann man im Herbst in oft erstaunlich großen Mengen beobachten. Die Kleine Pappelglucke (Poecilocampa populi) wurde schon in den Beobachtungen im Oktober 2007 vorgestellt. Am 4. November wurden dann 60 Falter gezählt, die auf den Laternen am Weg durch den Perlacher Forst hockten (in Richtung Klinik Menterschweige). Auf dem Foto sieht man außer 8 Pappelglucken noch einen Großen Frostspanner und einen Orangegelben Breitflügelspanner (Agriopis aurantiaria).
Auch im November lohnt es sich, Wände, die nachts vom Licht angestrahlt werden, nach Faltern abzusuchen. Tagsüber bleiben die Falter oft dort sitzen, vor allem, wenn sie dort etwas vor der Witterung geschützt sind. Am Bahnhof Obermenzing wurde die Herbst-Rauhaareule (Asteroscopus sphinx) gesehen, und am Bahnhof Pullach der Haarschuppen-Zahnspinner (Ptilophora plumigera). Beide Arten sind kräftig behaart, ein Hinweis, dass sie in einer unwirtlichen Zeit leben. Das Männchen des Haarschuppen-Zahnspinners hat besonders prächtige Fühler. Auf der Portraitaufnahme spiegelt es sich an einer Lampe.
Annette von Scholley-Pfab
Fotos: Mitglieder des AK Schmetterlinge