Gefährdung
Gebäude bewohnende Tierarten haben sich vor langer Zeit dem Menschen angeschlossen, weil ihnen die Lebensbedingungen, die der Mensch schuf, Vorteil oder Ersatz boten. Nach und nach wurden nahezu alle Gebäudetypen als Unterkunft angenommen: Wohn- und Geschäftsbauten jeder Größe, Kirchen, Brücken und historische Bauten wie Burgen oder Schlösser. Je nach den individuellen Bedürfnissen suchten sich Gebäudebrüter und Fledermäuse die für sie passenden Gebäude und Bauteile.
Nach Jahrhunderten der Anpassung und Spezialisierung sind sie heute mehr denn je auf die Hilfe des Menschen angewiesen. Die schnelle Veränderung des gemeinsamen Lebensraumes macht den tierischen Mitbewohnern zu schaffen. Zunehmende Bebauung, Abbruch und Umbau von Gebäuden, Verlust von Nahrungshabitaten, Gifteinsatz am Bau und in der Landschaft oder fehlende Akzeptanz bedrohen ihr Überleben in Stadt und Siedlung. Dabei spielen indirekte und direkte Faktoren für den Erhalt oder Rückgang ihrer Bestände eine Rolle.
Versteckte Lebensweise
Viele Gebäude bewohnende Tierarten leben als heimliche Untermieter unter unseren Dächern; sie bleiben oft jahrelang unbemerkt. Zur Brut und als Unterkunft suchen sie sich bevorzugt ungestörte Bereiche aus, die von Menschen nicht begangen oder eingesehen werden. Aus Unkenntnis werden deshalb oft ihre Quartiere im Zuge von Baumaßnahmen zerstört, nicht selten kommen dabei auch Brut und Alttiere ums Leben. Eine Untersuchung des Gebäudes vor Beginn der Baumaßnahme ist daher wichtig, um Gebäudebrütern und Fledermäusen Quartier und Leben zu erhalten.
Der Landesbund für Vogelschutz unterstützt Sie dabei. Wir nennen Ihnen örtliche Gebäudebrüter- und Fledermausexpert*innen oder prüfen, ob Ihr Gebäude bereits als Gebäudebrüterstandort erfasst ist. Gerne erstellen wir auch ein Angebot zur Gebäudeuntersuchung.
Um Gebäude bewohnenden Tierarten zu helfen, können Sie auch selbst aktiv werden: Bitte melden Sie Ihnen bekannte Gebäudebrüter- und Fledermausquartiere, und nutzen Sie dazu unseren Meldebogen.
Baumaßnahmen
Gebäude bewohnende Tierarten sind vor allem durch Veränderungen an den von ihnen genutzten Bauten und an ihren Quartieren betroffen. Viele Gebäudebrüter und alle Fledermausarten leben sehr versteckt; bei Bauarbeiten wird ihre Anwesenheit bzw. die Nutzung bestimmter Bauteile als Quartier oft nicht bemerkt. Durch bauliche Veränderungen werden die Zugänge zu den Quartieren verschlossen oder die Quartiere zerstört, obwohl das Bundesnaturschutzgesetz deren Erhalt bzw. Ersatz vorschreibt.
Zu den Bedrohungen durch Baumaßnahmen gehören insbesondere:
- Dachaus- und -umbau
- Fassadensanierung (Wärmedämmung, Renovierungsarbeiten)
- Dachstuhlsanierungen, v.a. mit chem. Holzschutzmitteln
- Verschluss von Zugängen (Vogel- und Insektenschutzgitter)
- Abbruch von Gebäuden
- Umnutzung von Gebäuden
Das Informationsblatt für Bauende und Architekt*innen informiert darüber, welche Schritte zu einer Artenschutz gerechten Sanierung vorab nötig sind.
Umbau und Sanierung
Um den Wert der Bausubstanz zu erhalten und ältere Gebäude an den heutigen modernen Wohnstandard anzupassen, werden viele Gebäude saniert bzw. modernisiert. Der Einbau von Isolier- und Schallschutzfenstern oder die Wärmedämmung von Fassade und Dach erhöhen den Wert des Wohnraums und dienen der Einsparung von Energie. Der Ausbau ungenutzter Dachräume zu Wohnungen schafft neuen Wohnraum ohne Ausdehnung des Flächenfraßes.
Moderne Bauweise scheint Spalten und Öffnungen für Tiere entgegenzustehen. Der Einbau von Vogel- und Insektenschutzgittern ist bei Dacherneuerungen zum Standard geworden. Quartiere Gebäude bewohnender Arten gehen dadurch zu Tausenden verloren. Das muss aber nicht so sein; durch die Zusammenarbeit von Architekt*innen, ausführender Baufirma und Fachleuten für den Artenschutz finden sich immer Lösungen, die bautechnisch einwandfrei die Erhaltung von Quartieren für Fledermäuse und Gebäudebrüter ermöglichen:
Um die Dachdurchlüftung nicht zu beeinträchtigen, können Einzelquartiere vom Rest des Dachraumes abgegrenzt werden; der Einbau spezieller Niststeine in die Fassade schafft Wohnraum für Tiere an Stelle früherer Bauschäden. Dem Einsatz von chemischen Holzschutzmitteln sind giftfreie Verfahren mit Hochfrequenztechnik, Heißluft oder CO²-Begasung zum Wohl von Mensch und Tier vorzuziehen. Bei den Umsetzungsbeispielen finden Sie Lösungen zum Schutz von Gebäudebrütern und Fledermäusen bei Baumaßnahmen sowie Beispiele für gelungene Sanierungs- und Umbaumaßnahmen.
Voraussetzung für das Gelingen einer Artenschutz gerechten Sanierung sind die Vorabprüfung auf Gebäudebrüter- oder Fledermausbesatz und die Einschaltung von Fachleuten für Artenschutz bereits in der Planungsphase.
Abbruch von Gebäuden
Nicht jedes Gebäude lässt sich wirtschaftlich sanieren oder modernisieren. Solche Bauten werden – oft nach jahrelangem Leerstand – abgerissen. Dabei gehen die dort befindlichen Quartiere verloren – denn oft bieten gerade diese Gebäude mit Fassaden-, Dach oder Mauerwerksschäden besonders gute Quartiersbedingungen für Fledermäuse und Gebäudebrüter.
Um die Tiere durch den Abbruch nicht zu gefährden, sollten im Vorfeld bereits Fachleute zu Rate gezogen werden, die die Anwesenheit von geschützten Tierarten oder das Vorhandensein von Quartieren feststellen können.
An den späteren Neubauten sollten, wo immer möglich, wieder Quartiere eingeplant und geschaffen werden.
Umnutzung von Gebäuden
Gerade in kleineren Siedlungen finden in den letzten Jahren umfangreiche Umstrukturierungen statt. Landwirtschaftliche Betriebe werden aufgegeben und Ställe oder Scheunen zu Büros und Werkstätten umgebaut, Fabrikanlagen und Produktionsstätten werden saniert und als moderne Loftwohnungen verkauft. Diese Umstrukturierungen beenden oft das jahrzehntelange, friedliche Zusammenleben von Mensch und Wildtier unter einem Dach. Vor allem bei Mehlschwalbe, Rauchschwalbe und Eulen ist deshalb ein Bestandsrückgang vorprogrammiert. Beim Umbau derartiger Gebäude sollte besonderer Wert auf die Wiederanlage der Quartiere gelegt werden. Wer sagt denn, dass z. B. die Beobachtung des Brutgeschehens bei Schwalben nicht auch modernes Arbeiten und Wohnen bereichert?
Tierfeindliche Bauweise
Die heutige Architektur bedient sich zur Gestaltung vielfach neuer Baumaterialien – Glas, Stahl, Kunststoffe und Beton prägen das Erscheinungsbild moderner Bauten. Die Fassaden sind oft glatt, ohne Nischen und andere dreidimensionale Strukturen. Die Dachbereiche sind mit Lochblechen gegen das Eindringen von Tieren hermetisch abgeriegelt.
Gebäudebrüter und Fledermäuse finden hier kein Quartier mehr, sie können sich an den glatten Wänden nicht festhalten. Große Glasflächen bergen zudem ein hohes Unfallrisiko für Vögel. Doch moderne Bauweise muss nicht tierfeindlich sein!
Moderne Fassadengestaltung
Auch in Neubaufassaden lassen sich Quartiere für Gebäude bewohnende Arten integrieren – ohne optische oder bautechnische Einbußen. In aller Regel reicht es, wenn der direkte Einschlupfbereich eine leicht aufgeraute Oberflächenstruktur aufweist. Da sich die Quartiere ohnehin meist ganz oben an einem Gebäude befinden, ist der Unterschied in der Oberfläche von unten nicht zu erkennen. Die Quartiere sollten als in sich abgeschlossene Bereiche oder Kästen ausgebildet sein. So wird z. B. der Eintrag von Nistmaterialien in die Durchlüftungszone des Dachbereichs vermieden.
Glas
Die großflächige Verwendung von Glas ist gefährlich: Vögel können es nicht als Hindernis erkennen. Sie nehmen lediglich den Raum dahinter wahr oder Bäume und Himmel, die sich darin spiegeln; beim Anflug dieser Landschaften prallen sie gegen die Scheiben. Täglich sterben so über 250.000 Vögel in Europa.
Das Problem ist seit Jahren bekannt. Die Wirkung von Mustern und Strukturen auf Scheiben wurde wissenschaftlich untersucht, und Scheiben mit für Vögel erkennbaren Mustern sind bereits auf dem Markt. Insbesondere Lärmschutzwände müssen nicht komplett durchsichtig sein und sollten so gestaltet werden, dass sie keine Gefahr für Vögel darstellen. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt: Ziel ist ein Muster auf der Scheibe, kontrastreich zum Hintergrund und mit Abständen der Markierungen möglichst unter 10 cm. Auf die Verwendung von Spiegelglas verzichten verantwortungsbewusste Planende ganz – der Natur zuliebe.
Vergrämung
Viele Gebäude bewohnenden Arten zeichnen sich durch eine versteckte Lebensweise aus. Aber auch wenn man sie selbst nicht sieht, hinterlassen sie doch manchmal verräterische Spuren ihrer Anwesenheit.
Nicht jeder, der ein Haus besitzt, freut sich über Tiere, die dort Unterkunft bezogen haben. Ihr Verhalten kollidiert manchmal mit den Bedürfnissen der Menschen. Vor allem Kotverschmutzungen und als störend empfundene Geräusche bewegen Hausbesitzer*innen dazu, die unerwünschten Untermieter zu vertreiben. Schwalbennester werden abgeschlagen, Einschlüpfe verschlossen, leider nicht selten, wenn sich die Tiere noch darin befinden. Dass dies ein eindeutiger Übergriff auf geschützte Arten ist und damit einen Verstoß gegen geltendes Recht darstellt, ist den Einzelnen oft nicht bewusst. Anzeige und Geldstrafe können die Folge sein – besser also, man versucht mit ein paar Tricks das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier zu harmonisieren.
Ein Kotbrett unter Schwalbennestern – 30 cm tief, in einem Abstand von 50 cm vom unteren Nestrand, schräg nach außen geneigt – fängt den Kot aus den Nestern auf. Anflugstangen für Dohle und Turmfalke vermeiden Kotspuren an der Fassade von Kirchtürmen. Fledermauskot lässt sich im trockenen Zustand leicht mit einem Besen wegfegen – außerdem ist er ein hervorragender Blumendünger! Und wem das Dauerrufen der Spatzen auf die Nerven geht, sollte genau hinhören: Was so monoton klingt, enthält mehr Tonvielfalt als man glaubt!
Verlust von Nahrungsgebieten
Neben dem Fehlen von Quartieren wirkt sich Nahrungsmangel als dezimierender Faktor bei Gebäudebrütern und Fledermäusen aus. Deshalb ist neben ausreichendem Quartierangebot der Erhalt geeigneter Nahrungsbiotope zu sichern. Doch vor allem in der Stadt ist dies oft nicht der Fall.
Der Einsatz von Pestiziden und Insektiziden in Gärten, Grünanlagen und in der Landwirtschaft vergiftet Insekten und ihre Jäger - Vögel und Fledermäuse. Intensive Grünflächenpflege in öffentlichen und privaten Anlagen führt zum Rückgang von Insekten und damit zu schwindendem Nahrungsangebot für alle Insekten fressenden Tierarten. Viele Vögel und Insekten sind an heimische Pflanzen als Nahrung gebunden - exotische Gehölz- und Staudenpflanzungen und nicht fruchtende Pflanzenzüchtungen bieten ihnen kaum oder keine Nahrung.
Eine englische Studie zeigt auf, dass Haussperlinge auch bei ausreichendem Angebot von geeigneten Brutplätzen eine zu geringe Reproduktionsrate aufweisen, weil die nötigen Insekten zur Jungenaufzucht fehlen – zwei von drei Jahresbruten verhungern, die Bestände sinken. Und in der Tat mangelt es Haussperlingen in den heutigen Städten nicht nur eklatant an Brutplätzen, sondern auch an Insekten als Nestlingsnahrung, Samen tragenden Wildstauden und –gräsern als Nahrung für die Altvögel und an Sand- und Wasserflächen zur Gefiederpflege. Der Rückgang des einstigen Allerweltsvogels kann als Indikator für die Bestandsentwicklung anderer Stadt bewohnender Tierarten dienen.
Artenschutz muss also bei allen bestandsbestimmenden Faktoren ansetzen. Der Erhalt von Stadtbrachen mit Ruderalvegetation, Langgrasfluren und altem Baumbestand und die naturnahe Bewirtschaftung geeigneter Grünflächen sind genauso wichtig wie der Erhalt von Brutplätzen und Quartieren an Gebäuden. Deshalb engagiert sich der Landesbund für Vogelschutz auch für den Erhalt wichtiger Biotope in Stadt und Landkreis.
Beratung bei Baumaßnahmen und zum Artenschutz an Gebäuden:
Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V.
Kreisgruppe München
Projekt „Artenschutz an Gebäuden“
Klenzestr. 37/Rckgb.
80469 München
T: 089 200270-83
F: 089 200270-88
m: sylvia.weber@lbv.de
Derzeitige Landkreisbetreuerinnen und -betreuer der Koordinationsstelle für Fledermausschutz
Liste zuständiger Landkreisbetreuer im Fledermausschutz in Bayern
Liste Deutschlandweiter Betreuer im Fledermausschutz (Bundesarbeitsgruppe Fledermausschutz)
Nisthilfen für Gebäudebrüter, Literatur, CDs und vieles mehr:
LBV Shop
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