Jetzt hacken sie wieder!
Im Herbst und im Frühjahr laufen die Telefone heiß beim Landesbund für Vogelschutz: Anlass sind Klagen über Spechte, die im Herbst vermehrt Löcher in gedämmte Hausfassaden hacken.
Zu diesem Thema hat der LBV München – mit Fördermitteln des Referats für Umwelt und Gesundheit der Landeshauptstadt München - eine neue Informationsbroschüre erstellt. Die Broschüre können Sie unten auf dieser Seite als pdf herunterladen.
Täter ist hauptsächlich der im Münchner Stadtgebiet häufige Buntspecht. Begrünte Stadtviertel bieten Buntspechten eine gute Lebensgrundlage: Sommers wie winters finden sie hier genug Nahrung, für ausreichend Deckung durch Bäume ist gesorgt. So können Spechte – die ein Revier beziehen und gegen Konkurrenten verteidigen – in München gut leben. Ihr einziges Problem in der Stadt: es mangelt an morschem Holz, so genanntem Totholz, in das sie ihre Höhlen schlagen können. In der Stadt werden Bäume, die solche Schäden aufweisen, meist vorsorglich gefällt. Auch im Wald vergreifen sich Spechte nicht an gesunden Bäumen, sondern bauen ihre Höhlen in morsches Holz. Deshalb können sie auch nur in naturnahen Mischwäldern leben, nicht im ausgeräumten Fichtenstangenforst.
Buntspechte bauen immer mehr Höhlen, als sie selbst benötigen. Das macht sie so nützlich für andere Tierarten, die vom Höhlenangebot profitieren: Kleiber, Meisen und andere Vögel, aber auch Eichhörnchen, Siebenschläfer und Fledermäuse – der Specht gilt als Baumeister im Wald.
Gegen den Specht haben wir ja nichts, aber warum ausgerechnet an meiner Fassade?
Diesen Stoßseufzer bekommen wir immer wieder zu hören. Spechte haben wärmegedämmte Fassaden für sich entdeckt. Auslösender Faktor sind vermutlich Insekten, die auf der Fassade sitzen. Spechte haben gute Augen und erspähen solch einen Leckerbissen sofort. Sie fliegen an die Fassade, picken das Insekt auf und untersuchen dann die Fassade genauer. Der hohle Klang von Wärmedämmverbundsystemen täuscht ihnen Totholz vor. Und der Specht, der ein gutes Gedächtnis hat, merkt sich diesen „toten Baum“. Zwei bis drei Wochen dauert der Bau einer neuen Baumhöhle. An einer Fassade hingegen benötigt der Specht meist nur wenige Tage.
Im Herbst werden die Löcher als Schlafhöhlen genutzt. Im Frühjahr wird dann die eine oder andere Höhle im Revier zur Bruthöhle ausgebaut – das gehört zum Balzzeremoniell der Spechtmänner, die so ihrer Angebeteten eine Auswahl wohnlicher Familienheime präsentieren. Behackt werden vor allem die Ecken der Häuser, meist in Baumnähe. Aber auch die Fläche wird nicht verschont. Verständlicherweise trifft dieses Verhalten auf wenig Begeisterung bei Hausbesitzern und Mietern.
Wie werden wir den Kerl bloß wieder los?
Werden wir deshalb immer wieder gefragt. Ein wichtiger Punkt vorab: Der Buntspecht ist eine geschützte Vogelart. Abschießen oder Fangen sind verboten; es nützt auch nichts, denn das Revier wird flugs von einem Konkurrenten bezogen, der in gleicher Weise agiert. Was kann man also tun?
Spechte gehen ihrem Hackgeschäft gerne in Ruhe nach. Stören Sie ihn also, wo es nur geht: Klatschen, Rufen, laute Geräusche oder wedeln mit Tüchern vertreibt den Specht – zumindest für eine Weile. Es lohnt sich, ihm ein paar Tage lang aufzulauern, so bekommt er denn Eindruck, dieser Teil seines Reviers bietet ihm keine Sicherheit.
Die wenigsten Menschen können ihr Haus dauernd bewachen. Bringen Sie also eine Vogelscheuche an Ihren Fassaden an, die tut, wozu Sie keine Zeit haben: Bewegung und Töne erzeugen. In vielen Fällen haben sich einfache Flattervorhänge aus Baustellenabsperrbändern oder CDs bewährt, auch Wimpelleinen oder Lamellenvorhänge erfüllen diesen Zweck. Wichtig: Wird nur ein kleiner Teil des Hauses behängt, geht der Specht einfach ein Stück weiter. Diese Maßnahmen sollten also großflächig angebracht werden. Vorab sollten Sie aber die gewählten Maßnahmen mit Ihrer Nachbarschaft besprechen, denn diese könnten sich durch Geräusche oder Lichtreflexe gestört fühlen.
Feindattrappen verlieren schnell ihre Wirkung, wenn sie sich nicht verhalten wie Feinde: Sie müssen sich also artgerecht bewegen und ihren Standort häufig wechseln. Solche Abwehrmaßnahmen verschönern ein Haus nicht gerade – langfristig sind also andere Methoden gefragt.
Bauen Sie vor!
Nach unserem Kenntnisstand werden alle auf dem Markt angebotenen Wärmedämmverbundsysteme behackt – Ausnahme: Systeme mit glatten Platten- oder Klinkerbekleidungen oder aus Ziegelformsteinen mit innenliegender Dämmung. Auf den einen kann sich der Specht nicht festhalten, durch die anderen kommt er nicht hindurch. Vermutlich treten Schäden auch an so genannten VWS-Dickputzsystemen seltener auf, auszuschließen sind sie jedoch nicht. Leider sind diese Systeme durchweg teurer als die übliche dünne Putzschicht auf Dämmmaterial. Doch wer mit dem Gedanken spielt, sein Haus zu dämmen, sollte sich überlegen, ob sich diese Investition langfristig nicht doch ausbezahlt.
Wer ein grünes Umfeld liebt, kann sein Haus auch durch eine Fassadenbegrünung schützen. Spechte halten sich nicht in dichtem Gebüsch oder dicht gewachsenen Wandbegrünungen auf. Doch aufgepasst: Selbstkletterer wie Wilder Wein und Efeu dürfen nicht verwendet werden! Sie klettern mit Haftwurzeln an der Fassade hoch, und das Gewicht kann die dünne Putzschicht von der Wärmedämmung lösen. Lassen Sie von einer Fachfirma ein dicht gespanntes Ranksystem aus Drahtseilen, Latten oder Edelstahlgittern am Haus anbringen. Es schützt die Fassade auch ohne Grün, weil Spechte sich nicht hinter die Drahtseile zwängen. Und eine dichte Wandbegrünung bietet vielen anderen Gartenvögeln einen Brutplatz.